Liebe Gemeinde.
Wenn Masken fallen …
Seit gut einem Monat müssen wir hier im St. Bernhard-Hospital keine Masken mehr tragen. Ich habe meinen Dienst mitten in Corona begonnen. Nun öffnen sich für mich neue Perspektiven. Ich lerne die Mitarbeiter*innen zum zweiten Mal kennen. Während ich mir ihre Gesichter einpräge, ertappe ich mich oft dabei, dass ich mir ein falsches Bild gemacht habe. Diese Erfahrung gibt mir zu denken.
Du sollst dir kein Bild von Gott machen, heißt es im ersten Gebot (vgl. Ex 20,4) und von seinem Ebenbild, dem Menschen?
Wie oft kommt es vor, dass wir Menschen – auch gerne die, die wir gut kennen – allzu schnell erfassen. Sicher, es ist wichtig Reaktionen einschätzen, mit Macken umgehen zu können. Wenn wir meinen, einen Menschen erfasst zu haben, legen wir ihm aber gleichzeitig unbewusst eine ‚Fessel‘ um. Wir sind nicht offen für Überraschungen, uns fehlt der Blick für die kleinen und feinen Unterschiede in seinem Handeln. Wir zwingen ihm die ein oder andere Maske auf, weil wir seine Reaktionen voreilig vervollständigen.
Es ist Zeit Masken fallen zu lassen. Doch wie geht das?
Ich denke, es braucht drei Dinge: Vertrauen, Zeit und Neugier. Vertrauen, sich zu öffnen und sich neu zu zeigen, Zeit für einen genaueren Blick und das Ablegen alter Vorstellungen und vor allem Neugier für Neues bei sich und anderen. Gehen Sie auf Entdeckungstour bei vertrauten und (noch) fremden Menschen.
Wenn Masken fallen, wird der ein oder andere tief durchatmen und Sie mit neuen Perspektiven beschenken.
Myriam Ueberbach,
Krankenhauspastoralassistentin, St. Bernhard-Hospital
Auszug aus dem Wochenbrief Nr. 19