Krise ist das Normale

Liebe Schwestern und Brüder,

liebe Leserinnen und Leser,

vielleicht erinnern Sie sich noch an das Evangelium vom 20. Sonntag im Jahreskreis (Lk 12,49–53):

„Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich,
es würde schon brennen!“

Zugegeben, dieses Evangelium ist hier aus dem Zusammenhang gerissen. Liest man jedoch die Perikopen der letzten Wochen im Ganzen, wird deutlich, worum es geht: um Wachsamkeit – und um die Konsequenzen einer bewussten Entscheidung für das Reich Gottes.

Und doch: Allein diese beiden Sätze haben es in sich. Sie sind nicht zahm, nicht brav, sondern haben etwas von Funkenflug. Die menschliche Existenz ist eben keine glattgebügelte Wohlfühlgeschichte. Sie ist krisenhaft – und das seit Anbeginn. Erst im Rückspiegel verklären wir vieles und meinen, es sei „früher besser“ gewesen. Aber mittendrin war es meist eine Mischung aus Anstrengung, Unsicherheit und Kampf.

Genau das macht uns Menschen stark: Wir sind Überlebenskünstler im Dauergewitter. Der Krisenmodus ist unser Normalzustand. Ohne die Fähigkeit, mit Brüchen und Herausforderungen umzugehen, wären wir längst aus der Geschichte verschwunden. Krise ist nicht die Ausnahme – Krise ist das Normale.

Das gilt für die Welt – und ebenso für den Glauben. Wer die Evangelien aufmerksam liest, sieht: Es ist eine Geschichte voller Reibung. Jesus wird missverstanden, vertrieben, angezweifelt. Seine engsten Begleiter stolpern über ihren eigenen Unglauben. Szene für Szene: Krise. Und doch geht es weiter.

Und heute? Ein Blick in die Nachrichten reicht: Kriege und Gewalt in der Ukraine, in Nahost und an vielen vergessenen Orten der Welt; der Klimawandel, der uns von Hitzewellen bis zu Flutkatastrophen vor Augen führt, wie verletzlich wir sind; wirtschaftliche Unsicherheiten, die ganze Gesellschaften verunsichern; politische Extreme, die spalten statt verbinden. Wir leben im Dauerfeuer – und müssen lernen, nicht nur zu löschen, sondern auch das richtige Feuer zu entfachen: das der Menschlichkeit, der Gerechtigkeit, des Friedens.

Dies, liebe Schwestern und Brüder, könnte uns ein Ansporn sein: Krisen nicht nur zu ertragen, sondern zu gestalten. Wenn es nicht weitergeht, sie auszuhalten – und sie trotzdem ins Gebet zu bringen. Und uns eben bewusst zu machen: Gerade wir als Christ:innen tragen dieses Feuer in uns, welches uns beistehen kann, welches gute Entscheidungen begleiten und unterstützen kann. Denn, so spricht Jesus im Evangelium weiter: „Ich muss mit einer Taufe getauft werden und wie bin ich bedrängt, bis sie vollzogen ist.“

Beten wir darum, dass wir so für das Gute brennen und Position ergreifen, auch wenn es bedeutet, Feuer und Flamme zu sein!

Liebe Schwestern und Brüder,

bald sind Kommunalwahlen sowie unsere Pfarreirats- und Kirchenvorstandswahlen. Beten wir darum, dass die Menschen, die Verantwortung übernehmen – in unserer Stadt, in unserem Land, in der Welt –, nicht nur Krisen verwalten, sondern sie anpacken. Dass sie mutig, besonnen und mit Herz für das Gemeinwohl handeln.

Und lassen wir uns dabei von Jesu Worten anstecken: nicht nur das Feuer zu überleben, sondern es zu entfachen – für das Gute, für die Gerechtigkeit, für das Leben. Denn wer nur die Glut bewacht, lässt die Welt erkalten. Wer aber den Funken weitergibt, wärmt und erhellt.

Joachim Brune, Pfarrer

Auszug aus dem Wochenbrief Nr. 36

Seelsorgetelefon

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