„Wenn ihr in ein Haus kommt, so sagt als Erstes:
Friede diesem Haus!“ Lk 10,5
Es klingelt an meiner Tür. Ich öffne und vor mir steht der Frieden und begehrt Einlass. Ich bitte ihn herein, voller Freude und sage: „Endlich, so lange haben wir auf dich gewartet!“ Der Frieden schaut mich mit prüfendem Blick an und fragt mit leiser, fordernder Stimme: „Bist du bereit für mich?“
„Aber sicher, unbedingt“, sage ich und fange gleich an, von all den Konflikten und Kriegen zu berichten, die die Menschheit so sehr belasten. Der Frieden schaut mich etwas müde an, aber er bleibt ruhig und gelassen und fragt noch einmal, diesmal mit der Betonung auf dem „du“: Bist du bereit für mich?
Da stockt mir die Stimme, denn ich spüre: Der Frieden bringt Fragen mit sich – unbequeme, drängende. Was werde ich loslassen müssen, damit er eintreten kann? Welche Wahrheiten werde ich hinterfragen müssen, welche Vorurteile auf den Prüfstand stellen, welche liebgewordenen Gewohnheiten und Annehmlichkeiten aufgeben?
Der Frieden sieht meine Verunsicherung, aber er verurteilt mich nicht.
Er sagt: „Meine Anwesenheit ist kein Geschenk, das man einfach entgegennimmt – sie ist ein Lebenswerk, das dich täglich fordern wird. Damit ich hier eintrete, musst du nicht laut werden – sondern ehrlich.
Du musst das Streiten nicht verlernen, aber das Zuhören neu entdecken. Vielleicht ein altes Urteil ablegen und ein neues Gespräch beginnen.
Ich brauche keine Perfektion – aber Bereitschaft. Ich kann dort überleben, wo man das Herz nicht verschließt wie eine Tür, wo Zweifel mit am Tisch sitzen dürfen, aber Hass keinen Platz bekommt. Ich entstehe nicht allein durch Verträge, nicht einmal durch einen Waffenstillstand, sondern durch Verständnis und Vertrauen.“
Ich merke, dass dieser Frieden meinen Mut verlangt. Ich weiß nicht, ob ich das schaffe, aber versuchen will ich es. Da tritt der Frieden ein.
Gertrud Sivalingam, Pastoralreferentin

Auszug aus dem Wochenbrief Nr. 28